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Keine Nacht ohne Drogen? Sprüche wie dieser sind gängige Münze, besonders im Zusammenhang mit Technoveranstaltungen. Ein Frankfurter Wirt skizziert dies unverblümt und differenziert.
Im Alter von 18 bis 25 geht es jungen Leuten im Wesentlichen um die professionelle, soziale und sexuelle Orientierung. Die unverbindliche Umgebung einer Tanzveranstaltung wird seit Jahrhunderten bevorzugt, da die soziale Interaktion vorwiegend extralinguistisch statt findet. Die Anlässe zur Kommunikation sind vielfältig: Kleidungs- und Tanzstil, DJ-Performance, Qualität der Live-Musik, wer war oder wird eine bestimmte Veranstaltung besuchen, und so weiter. Hier dominiert optische Uniformität, es geht um soziale Integration.
Nach der geistigen Pubertät, also im Alter von 25 bis 32 Jahren, geht es stärker darum, den gerade erworbenen Status zu präsentieren. Man zwängt sich in gepflegtere, individuelle Kleidung, klammert sich an einen Cocktail und flaniert mit seiner wohlproportionierten Begleitung durch Clubs mit einem imaginären Laufsteg. Hier geht es um Sehen und gesehen werden.
Später, ab 32, ist die soziale Integration und Bindung so weit fortgeschritten, dass das zentrale Motiv des Tanzen-Gehens erlischt. Wer nicht andere Gründe, wie Alkoholsucht, homophile Neigungen, chronische Schlaflosigkeit oder Ähnliches vorzuwenden hat, sich die Nächte in Tanzlokalen um die Ohren zu schlagen, geht in der Regel nur noch einmal im Monat, am Wochenende und mit sinkender Partizipation aus. Der Beruf, Freundeskreis, Lebenspartner sowie der Nachwuchs fordern die gesamte Aufmerksamkeit und Kraft; die Kneipe um die Ecke steht weniger im Konflikt zum Berufsleben. Rund 85 Prozent der Besucher der Discotheken sind 18 bis 25 Jahre alt, nur etwa zwei Prozent sind über 32.
Soziale Bedingungen des Drogenkonsums
Je nach den individuellen Möglichkeiten nehmen sich die jungen Leute vehement Auszeiten aus den von der Erwachsenenwelt vorgegebenen Interaktionsschemen und verfallen unbewusst den Verhaltensmustern der Konsumgesellschaft. Gerade die, in der sozialen Hackordnung am weitesten unten Stehenden, kompensieren hier kurz und heftig. Ihr wirtschaftlicher, sozialer und gesundheitlicher Abstieg wird aber schnell durch steigenden Wirtschaftsdruck gestoppt. Sie gehen nach wenigen Jahren in die Arbeiterklasse über und verlieren den Bezug zum Nachtleben.
Während die Betäubungsmittel-Konsumphase der sozial schwächer Gestellten durch sozioökonomische Zwänge gebremst wird, reduziert sich der Konsum bei privilegierten nur durch langsame Interessenverschiebungen. Die Betäubungsmittel- und Alkoholtoleranz dieser Konsumenten steigt oft und wird in einem lange anhaltenden Krankheitsverlauf verschiedener Suchttypen wesentlich durch Reifung des Individuums reguliert.
Drogenpickel bei der Einlasskontrolle
Tanzbetriebe sind ein Alkohol- und Betäubungsmittel-tolerantes Umfeld. Die Akzeptanz ist unter den Besuchern schon aufgrund der ähnlichen Bedürfnisse und der Majorität der Konsumenten hoch. Nüchtern sind die wenigsten. Der polytoxische Cocktail verschiebt sich im Verlaufe der Jahre zu Gunsten der teureren Drogen und des Alkohols.
Häufig sind schon 20-Jährige geläuterte Betäubungsmittel-Veteranen, die mit gelegentlichem Aufflammen von Betäubungsmittel- und Alkoholsucht zu kämpfen haben. Selten ist zu beobachten, dass Jugendliche ihre Suchtphase mit der Ausgehphase beginnen, also von dem Milieu der Clubs angesteckt werden. Vielmehr sind die von Drogenpickeln und zerrissenen Gesichter die Allerjüngsten, die schon an der Alterskontrolle am Einlass scheitern und wieder umkehren müssen. Druck, wie die frühe Politisierung der Schule, die geschickt gepflanzten Konformitätszwänge in der jungen Käuferschicht und so weiter hinterlassen hier deutliche Ausfallerscheinungen.
Drogenbeschaffung außerhalb der Clubs
Die Freunde der elektronischen Musik erkennt man oft an unreiner Haut, die in Korrelation mit Ausläufern der Pubertät fast wie ein Minenfeld aussieht. Zusammen mit der dehydrierten Statur Heranwachsender, den durch Entmineralisierung schwarz-gelben Zähnen und der vor Vorfreude mit den ersten Bässen zuckenden Leibern, bietet sich vor den Technodiskotheken eher das Bild einer krisengeschüttelten Entwicklungsregion. In den Clubs herrschen oft hektische Umtriebe zur Drogenbeschaffung. Durch die restriktive Drogenpolitik, die zu scharfen Drogenkontrollen im Diskothekeneingang führte, verlagerte sich die Unruhe auf die Straße. Mitunter haben sich die Gäste schon auf Vorrat vollgepumpt.
Anders vor Hip-Hop-Discotheken: oft kokain-gereizte oder betont gelassene Jugendliche tragen einen äußerlichen Pauperismus der amerikanischen Underdogs zur Schau, strotzen aber vor Fleisch und Kraft. Hier sorgt man sich eher um Rassenausschreitungen, als um die Volksgesundheit. Regelmäßig wird hier um Ehre und Respekt gerangelt. Gekifft wird zusammen, drinnen, wenn es keiner merkt, fernab der Blicke der Türsteher. Den Stoff besorgt man sich zum Beispiel vorher oder auf der Toilette.
Arm und Reich
Vor den schicken House-Clubs wird mit großer Geste parliert, Hagestolze promenieren mit ihren Sportwagenschlüsseln und blonden Schönheiten. Diesen Leuten stellt sich kein Türsteher entgegen, der nicht stundenlange verbale Hassattacken über sich ergehen lassen möchte. Gegen Kokain-Zungen kann man nicht anreden, der Stolz der Personen scheint nachhaltig verletzt und es liegt immer die Angst vor körperlichen Auseinandersetzungen in der Luft. Unter die Schönen und Reichen mischt sich die Unterwelt. In den Clubs ist eine Atmosphäre der Vertrautheit zu spüren: man kenn sich und ist unter sich. Ab und zu stören exzessive Gewaltszenen den Hausfrieden. Konsumiert werden Betäubungsmittel auf der Toilette oder direkt auf der Bar. Der Handel erfolgt diskret in der Menge.
Während sich in und vor den Clubs der Gedanke an Handlungsbedarf eher in Techno-Diskotheken einstellt, verändert sich aber das Bild stark, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel bei dem Vertrieb und Handel mit Kokain gigantische Mengen Schwarzgeld umgesetzt werden, die ganze Schatten-Regimes finanzieren und die Taschen von Rolex und Mercedes-Tunern füllen. Aber nicht nur die, die am Kokain verdienen sind die "Falschen". Auch die Konsumenten brauchen auf der einen Seite entsprechende Einkünfte, um die Sucht zu finanzieren und auf der anderen Seite sind sie psychisch abhängige, paranoide Arrogante, die jeden Gedanken unreflektiert für nobelpreisverdächtig halten und über die Interessen anderer großzügig hinweg schauen: sie rangeln um das schnelle Geld für den nächsten Kokain-Rush auf Kosten der Solidargemeinschaft.
Kokain hat volkswirtschaftlich und auf das soziale Klima viel gewaltigeren Einfluss als der Gesamte übrige Betäubungsmittel-Umsatz und dessen Nebenwirkungen. Um Kokainmärkte wird mit der Kalaschnikow gekämpft, der verheißene Geldsegen erhöht die kriminelle Bereitschaft enorm.
Kokain reicht in die Politik hinein
Dadurch erscheint das Spiel der Behörden mit den Diskothekenbetreibern von Technoclubs oberflächlich und unbeholfen. Die Sorge scheint nicht von Volksgesundheit und sozialer Verantwortung beseelt, sondern vielmehr die einfache Stigmatisierung von kleinen und politisch nicht artikulierten Jugendgruppen zu sein, durch die man Profil gewinnen will. An Haschisch wagt man sich nicht ran, da das Politikum immerhin etwa die Hälfte aller Jugendlichen betrifft, und die Wähler wahrscheinlich empfindlich reagieren würden, wenn man deren Kinder kurzum kriminalisieren würde. Kokain hat auch keine klare Front, die Vernetzung der Konsumenten reicht zu hoch in Politik und Wirtschaft hinein.
Meine politische Forderung wäre gezielt kontrollierte Ventile zuzulassen, um die weitere Unterwanderung sozialer Institutionen zu verhindern. Gerade die nachrückenden Generationen, die mit den zunehmenden Pannen um Dosenpfand, Alcopop-Steuer und Co. den Glauben an die Leistungsfähigkeit politischer und sozialer Systeme verlieren, sollten nicht durch vorschnelle Regulierungswut als Bürger verloren gegeben werden.
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