Toleranz

In der Pharmakologie versteht man unter Toleranz die Gewöhnung an einen Wirkstoff, wobei dessen Wirkung durch wiederholte bzw. chronische Einnahme über einen bestimmten Zeitraum abnimmt. In vielen, aber nicht allen Fällen kann zur Erzielung der gleichen Effektstärke die Dosis erhöht werden. Es gibt verschiedene neurochemische Mechanismen, welcher der Toleranzentwicklung zugrunde liegen.

Pharmakodynamische Toleranz

Unter Pharmakodynamik versteht man die Wirkung, die ein Wirkstoff im Organismus hervorruft. Pharmakodynamische Toleranzmechanismen sind daher:

Verminderung der Rezeptordichte

Der Körper beeinflusst die Sensibilität einer Zelle für einen bestimmten Wirkstoff durch Regulation der Rezeptordichte auf der Zelloberfläche. Wird die Dichte durch Internalisation von Rezeptoren (und geringere Neu-Synthese) herunter reguliert, so ist die Zelle weniger sensibel für den Rezeptor-Agonisten. Diese Downregulation geschieht durch Phosphorylierung des Rezeptors und die Bindung von Arrestin, einem Signalmolekül, dass eine Endozytose des Rezeptors herbeiführt.

Abschwächung der Signaltransduktion

In vielen Fällen besitzt eine Zelle eine Rezeptor-Reserve. Um eine signifikante Abnahme der Rezeptordichte herbeizuführen müssen unter Umständen sehr viele Rezeptoren (bis 99% sind keine Seltenheit) von der Oberfläche entfernt werden. Um diesem Aufwand zu entgehen gestalltet der Körper die Signaltransduktionskaskade ineffizienter. Er synthetisiert weniger G-Proteine, Adenylatzyklasen oder Proteinkinasen. Die Aktivierung der G-Protein gekoppelten Rezeptoren (GPCR) ist somit weniger effizient.

Eine weitere wichtige dynamische Toleranz-Entwicklung besteht gegenüber dem Medikament Glyceroltrinitrat oder Nitroglycerin (das beim Erfinder selbst zur Anwendung kam). Heute findet es Anwendung in der Langzeittherapie der Angina Pectoris als Vasodilatator der Herzkranzgefäße (Coronararterien) in Form von Pflastern, die gleichmäßig den Wirkstoff durch die Haut abgeben. Da sich innerhalb von 24 Stunden bereits eine Toleranz des Körpers gegen dieses Medikament ausbildet, empfiehlt es sich, eine sog. Nitratpause über Nacht von 12 Stunden einzuhalten. Durch nichteinhalten der Nitratpause zur Sensitivierung des Körpers ist es bereits zu Todesfällen gekommen.

Veränderung der Rezeptoren

Die oben genannten GPCRs besitzen mehrere Orte, an denen sie mit anderen Molekülen interagieren können. So wird beispielsweise der Beta-Adrenozeptor durch ein Enzym, die ß-Adrenorezeptor-Kinase (allg. GPCR-Kinasen = GRK) phosphoryliert. Dies verhindert die Aktivierung eines G-Proteins. Einen ähnlichen Effekt haben auch Proteinkinasen. Auch die Interaktion mit der Beta-Gamma-Untereinheit des G-Proteins führt zur Konformationsänderung und zur Inaktivierung des Rezeptors.

Einen Spezialfall bildet hier der Thrombin-Rezeptor, der sich auf Thrombozyten und Endothelzellen befindet. Durch die Protease Thrombin wird ein 41-Aminosäuren langes N-terminales Ende des Rezeptors abgespalten und somit eine Domäne freigelegt, die den Rezeptor aktiveiren kann. Man spricht von einer Autoaktivierung. Einmal aktiviert ist der Rezeptor so sehr verändert, dass er per Endozytose internalisiert wird und erst durch Neusynthese wieder zur Aktivierung zur Verfügung steht. Ein neu entdeckter Rezeptor dieser Klasse befindet sich auf Nozizeptoren und trägt den Namen PAR-2 (für ''Protease aktivierter Rezeptor, bekannt sind heute PAR 1-3). PAR-2 spielt eine Rolle bei der neurogenen Entzündung und Schmerz

Beeinflussung von körpereigenen, antagonistischen Systmen

DBI ist die Abkürzung für das Diazepam-binding-Inhibitor Molekül. Bei der Gabe des Benzodiazepins Diazepam wird es vermehrt synthetisiert und bewirkt eine Abschwächung des Medikamentes. DBI bindet ebenfalls an die Benzodiazepam-Bindungsstelle des GABA-Rezeptors A und kompetitiver Antagonist zu Diazepam.

Pharmakokinetische Toleranz

Die Pharmakokinetik beschreibt, wie rasch und in welchem Ausmaß nach der Verabreichung eines Stoffes dieser anschließend im Blutplasma und in den verschiedenen Körpergeweben auftritt und wo und in welcher Weise er wieder ausgeschieden wird. Der Körper hat die Möglichkeit, die Wirksamkeit eines Pharmakons herabzusetzen, indem er die Elimination beschleunigt oder eigene, gleichartig wirkende Systeme herunterregelt.

Beschleunigung der Elimination

Hierzu gehört vor allem die vermehrte Expression von Enzymen die zur Biotransformation gehören. So kommt es bei Rauchern dazu, dass bestimmte Cytochrom P450 Enzyme vermehrt exprimiert werden und z.B. das Methylxanthin Theophyllin beschleunigt abgebaut wird. Auch das Antibiotikum Rifampicin und Johanniskraut Präparate sorgen für eine Enzyminduktion und zu beschleunigtem Abbau einiger Medikamente. Die Pille beispielsweise kann somit unwirksam werden.

Herunterregulieren Körpereigener Systeme

Die starke Gewöhnung an Opioid-Drogen (Dosissteigerung um das 20fache) kann nicht allein durch die Pharmakodynamische Toleranzentwicklung erklärt werden.Der genaue Mechanismus dieser Toleranzentwicklung ist noch nicht vollständig aufgeklärt, jedoch beobachtet man auch eine Abnahme der körpereigenen endogenen Opioide. Ähnliches ist zu beobachten bei der Gabe von Glucokortikoiden wie Cortisol, Dexametason, Prednisolon. Gibt man diese Substanzen kontinuierlich über einen längeren Zeitraum, so geht die körpereigene Produktion an Clucocortikoiden zurück. Organisch manifestiert sich dies in einer Atrophie (Gewebsabnahme) der Nebennierenrinde, wo Glucocorticoide gebildet werden.

In der Blut-Hirn-Schranke sowie in der Niere und im Darm befindet sich ein Transportprotein namens P-Glykoprotein. Dies transportiert körperfremde Stoffe, die nicht ins Gehirn gelangen sollen wieder aus den Zellen heraus zurück ins Blut. Fexofenadin ist ein Histamin-Rezeptor-Antagonist, der durch diesen Mechanismus nicht in Gehirn gelangt und außschließlich peripher wirkt. Durch längere Gabe von Fexofenadin wird das P-Glykoprotein stärker exprimiert und erhöht somit die Toleranz der Blut-Hirn-Schranke gegenüber dieses Pharmakons.

Weiteres Beispiel ist das Herauffahren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems bei Diuretika-Gabe.

Tachyphylaxis

Als Tachyphlaxis bezeichnet man einen Mechanismus, der durch kurz aufeinander folgende Gaben eines Medikamentes zur Entleerung intrazellulärer Speicher führt. Substanzen wie Amphetamin oder das ehemalige Anti-Hypertensivum Reserpin sind solche Substanzen. Sie verhindern die Speicherung von Neurotransmittern innerhalb des Speichervesikel und führen somit sehr schnell zu einer kurzfristigen Toleranz. Nach Abklingen der Wirkung (ca. einige Stunden) füllen sich die Speichervesikel wieder, die Signaltransduktion normalisiert sich.


Dieser Text ist aus der Wikipedia - zum Original, Autoren.
Sein Inhalt steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation

 

Navigation

Pfad: Startseite  >  Sucht
Suchformular

Themen

Unterstütze uns

Dieses Informationsangebot benötigt Zeit und Geld, um ausgebaut und betrieben zu werden. Spende jetzt 5 €, 10 € oder wieviel Du auch aufwenden magst, um Suchtmittel.de zu erhalten!
Zur Spendenseite...