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Selbsthilfegruppen sind selbstorganisierte Zusammenschlüsse von Menschen, die das gleiche Problem haben und selbst etwas dagegen unternehmen möchten. Eine Selbsthilfegruppe braucht keine spezielle Organisationsform.
Sobald sich zwei Menschen gegenseitig bei der Bewältigung eines gemeinsamen Problems helfen, kann dies schon als Selbsthilfegruppe angesehen werden. Typische Probleme sind etwa der Umgang mit chronischen oder seltenen Krankheiten, mit Lebenskrisen und belastenden sozialen Situationen. Selbsthilfegruppen dienen der Information von Betroffenen und Angehörigen, sowie praktischer Lebenshilfe. Ein wichtiges Element ist hierbei der Erfahrungsaustausch, zur gegenseitigen sachlichen und emotionalen Unterstützung. Darüberhinaus vertreten Selbsthilfegruppen in unterschiedlichem Grad die Belange ihrer Mitglieder nach Außen. Das reicht von Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit, über die Unterstützung von Forschungsprojekten bis zu politischer Interessenvertretung. Da Selbsthilfegruppen sehr oft keine Rechtsform haben, werden sie in der Regel rein ehrenamtlich geführt. Werden bestimmte Voraussetzungen erfüllt, können allerdings Kostenerstattungen und andere Förderungen erreicht werden.
Die Grenzen zu anderen Organisationsformen sind fließend. In Vereinen schließen sich ganz allgemein Personen mit gleichen Interessen zusammen. Bei Genossenschaften und Non-Profit-Organisationen steht ein gemeinsames wirtschaftliches Interesse im Vordergrund. Gewerkschaften, Parteien, Bürgerinitiativen und im weitesten Sinne alle nichtstaatlichen Organisationen verfolgen vor allem gemeinsame (gesellschafts-)politische Ziele. Die freie Wohlfahrtspflege umfasst alle Formen organisierter sozialer Hilfe.
Die Selbsthilfe heutiger Form hat ihre Vorläufer in den Emanzipationsbewegungen des 19. Jahrhunderts, insbesondere der Frauen- und Jugendbewegung. Es wurden zahlreiche Vereine und Organisationen gegründet, die einen weitgehend freien Austausch von Gleichgesinnten ermöglichten und unter deren Deckmantel auch gesundheitsorientierte Selbsthilfe stattfand.
Bei einigen Abstinenzvereinen, wie etwa den Guttemplern, und zahlreichen spirituell oder religiös orientierten Gruppen, wie etwa den Anonymen Alkoholikern steht ein umfassenderes Leitbild moralisch anstrebenswerter Lebensführung über das ursprüngliche gemeinsame Problem (wie etwa Alkoholismus) hinaus im Vordergrund.
Erst nach den sozialen Umwälzungen der 1960ern war offene Selbsthilfe im heutigen Verständnis möglich. Sie setzt voraus, dass sich Menschen öffentlich zu ihrem Problem bekennen können, ohne gesellschaftliche oder strafrechtliche Sanktionen zu befürchten. So hatten etwa Homosexuelle bis 1968/69 strafrechtliche Verfolgung nach §175 zu befürchten. Suchtkrankheiten wurden erstmals als Krankheiten und nicht nur als moralischer Mangel verstanden. Gleichzeitig entstand ein neuer Gesundheitsbegriff, der eine aktive, eigenverantwortliche Rolle des mündigen Patienten fördert. Wie viele andere neue soziale Bewegungen setzen sie auf Eigeninitiative.
Der Psychoanalytiker Michael Lukas Moeller spielte in den 1970ern eine wichtige Rolle bei der Etablierung von Selbsthilfegruppen in Deutschland. 1981 gründete er die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V.. In der DDR waren bereits vor der Wende, auch im Rahmen der Bürgerbewegung, erste Selbsthilfegruppen, insbesondere unter dem Dach der Kirche, aktiv. Heute gibt es in der Bundesrepublik Deutschland schätzungsweise 100.000 Selbsthilfegruppen und Initiativen, in denen sich rund 3 Millionen Menschen engagieren (Zivilgesellschaft).
Die Leistungen der Selbsthilfegruppen sind in den letzten Jahren als preiswerte Ergänzung zum professionellen Gesundheitssystem von den Kostenträgern entdeckt worden. Daher können Gesundheitliche Selbsthilfegruppen von der gesetzlichen Krankenversicherung gefördert werden. Grundlage ist der § 20 Abs. 4 des Sozialgesetzbuch V. Vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten bieten auch andere Institutionen (z.B. Rentenversicherungen aber auch Kommunen und Länder). Für die Unterstützung von örtlichen Selbsthilfgruppen sind die Kontakt- und Informationsstellen von Selbsthilfegruppen (KISS) von Bedeutung, von denen es in Deutschland über 200 gibt. Unterstützung können Selbsthilfegruppen auch in einem Gesundheitshaus finden, die es in einigen Städten und Kreisen in Deutschland gibt.
Selbsthilfeorganistionen' sind Zusammenschlüsse von Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen. Sie sind meist auf Länder- und/oder Bundesebene als e.V. organisiert und ihrerseits wieder Mitglied in einer Dachorganisation (auf Bundesebene heißt diese "Bundesarbeitgemeinschaft Selbsthilfe"). Auch dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrstsverband (DPWV) sind viele Organisationen angeschlossen. Selbsthilfeorganisationen gibt es zu fast jedem Krankheitsbild (zum Beispiel Allergie, Neurodermitis, Diabetes, Rheuma).
Zu den Mitgliedern von Selbsthilfeorganisationen gehören neben Einzelpersonen (Betroffenen aber gelegentlich auch Professionelle) auch oft die auf örtlicher Ebene meist ohne Rechtsform arbeitenden Selbsthilfegruppen. Finanzielle Unterstützung erhalten die Selbsthlfeorganisationen neben Mitgliedsbeiträgen und Spenden vor allen von der Gesetzlichen Krankenversicherung aber auch von Rentenversicherungen (Landesversicherungsanstalten, Bundesversicherungsanstalt). Durch das neue Gesundheitsmodernisierungsgesetz, das für die Krankenkassen gilt, haben die Selbsthilfeorganisationen über ihre Dachorganisationen Mitspracherechte in wichtigen Fragen der Gesundheitsversorgung. Sie wirken seit Anfang 2004 im Gemeinsamen Bundesausschuss und seinen einzelnen Ausschüssen mit. Auf der Bundesebene werden die Interesse der Selbsthilfegruppe bzw. -organisationen vor allem vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. vertreten.
Etwa die Hälfte aller Selbsthilfegruppen sind freie, nicht organisierte Selbsthilfegruppen. Sie gehören keiner überregionalen Selbsthilfeorganisation an. Auf kommunaler Ebene organisieren sich manche Selbsthilfegruppen in Arbeitsgemeinschaften, um gesundheitliche und soziale Problematiken aus verschiedenen medizinischen und sozialen Bereichen vor Ort aufzugreifen.
Die Arbeit in den lokalen Selbsthilfearbeitsgemeinschaften wird rein ehrenamtlich geleistet. Finanziell erhalten sie sich durch ihre Mitgliedern und freiwilligen Spenden. Manche sind als gemeinnützige Vereine eingetragen. Selbsthilfearbeitsgemeinschaften erhalten keine finanzielle Unterstützung durch gesetzliche Krankenkassen nach §20 SGB V. Manche Oft ist die Gemeinnützigkeit durch Rechtsform eines eingetragenen gemeinnützigen Vereins anerkannt. Beispiele für solche Arbeitsgemeinschaften finden sich in der Stadt Neuss, der Stadt Grevenbroich und in der Stadt Dormagen.
In vielen Städten und Regionen gibt es Selbsthilfekontaktstellen. Sie haben einen Überblick über die Selbsthilfeangebote und stellen Kontakt zu Selbsthilfegruppen.
Dieser Text ist aus der Wikipedia - zum Original, Autoren.
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