Glücksspiel: Jeder Süchtige belastet zehn andere

Menschen, die von Spielsucht betroffen sind, haben nicht nur selbst ein Problem. Auch ihr Umfeld leidet an den negativen Folgen der Abhängigkeit. Das berichtet Andreas Czerny, Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht.

"Hinter jedem süchtigen Glücksspieler stehen zehn bis 15 Angehörige, die mitbelastet werden. In der Regel sind das Partner, Geschwister, Kinder und Eltern. Die Situation löst auch bei ihnen oft psychische Leiden aus und erfordert Hilfe von Außen", so der Experte.

Sucht als Geliebte

Da Glücksspielsüchtige meist Männer sind, betrifft das Angehörigen-Problem vor allem die Ehefrauen. "Glücksspielsüchtige lügen und tarnen ihre Abhängigkeit geschickt, kommen regelmäßig später nach Hause als angekündigt und verlieren stets Geld am Konto. Die Frauen mutmaßen in Folge oft, ihr Mann habe eine Geliebte und werden oft erst sehr spät auf die Sucht aufmerksam", erklärt Czerny. Die meisten Beziehungen bei Glücksspielsucht sind schon deshalb sehr belastet, zudem steht oft das Haushaltseinkommen am Spiel. "Bei Gütergemeinschaft in der Ehe haften Frauen für Schulden mit", warnt der Experte.

Aus systemischer Sicht bezeichnet es Czerny als sinnvoll, die Position von Angehörigen zu stärken. "Den Ehefrauen von Süchtigen hilft es besonders, wenn man sie in ihrer Autonomie unterstützt. Es geht darum, auf die eigene Psychohygiene zu achten und sich emotional vom Partner zu lösen." Dieser Druck helfe im besten Fall auch dem süchtigen Partner, sein Verhalten zu erkennen oder es zu ändern.

Niemand kennt Glücksspielsucht

Hilfe in dieser Form liefert das Pilotprojekt ETAPPE (Entlastungstraining für Angehörige pathologischer und problematischer Glücksspieler-psychoedukativ), das derzeit in vier deutschen Städten startet. "In Gruppenabenden wird der Umgang mit den Betroffenen und deren Rückfällen thematisiert, sowie Wissen über Möglichkeiten der Behandlung sowie des finanziellen und rechtlichen Schutzes vor dem Spiel vermittelt", so Czerny. Diese Informationen seien wichtig, denn noch kaum jemand kenne das Phänomen Glücksspielsucht näher.

Casinos und Schulen einbinden

Ein neues Schweizer Konzept konzentriert sich auf die Arbeit der Präventionsfachstellen. Es soll die Schweizer Casinos stärker in die Pflicht nehmen, da dort problematische Spieler am einfachsten zu erkennen und zu erreichen sind. Weit schwieriger ist hingegen der Zugang bei der steigenden Zahl von Internet-Zockern, berichtet die Organisation Sucht Info Schweiz. Laut ihren Zahlen spielen 120.000 Schweizer exzessiv, wovon jeder Vierte spielsüchtig und der Rest davon gefährdet ist. Weder Ausbildung noch Einkommen schützen davor, so die Experten.

Die niedersächsiche Landesstelle für Suchtfragen (NLS) konzentriert Ihre Präventionsarbeit hingegen auf Pädagogen aus Schule und Freizeitbereich, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten. "Obwohl es Minderjährigen verboten ist, hat schon mehr als die Hälfte der 16- bis 17-Jährigen Erfahrung mit Glücksspielen. Frühzeitige Information über dessen Risiken ist daher nötig", warnt Martina Kuhnt, NLS-Expertin für Glücksspielsucht.

Artikel vom 7. September 2010

 

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