Glücksspieler treffen nicht nur irrationale Entscheidungen

Die gängige Einschätzung von Glücksspielern, dass diese irrationale Entscheidungen treffen und stark impulsgesteuert handeln, ist in einer wissenschaftlichen Untersuchung nun angezweifelt worden. Nach Erkenntnissen von Bernd Sobottka, leitender Psychologe der Klinik Schweringer See, können Glücksspieler ihre Impulse sehr wohl kontrollieren und ein kompetentes Entscheidungsverhalten erlernen.

Sobottka veröffentlichte seine Ergebnisse in Buchform unter dem Titel "Entscheidungsverhalten bei pathologischen Glücksspielern". Für Bernd Leplow, klinischer Psychologe an derselben Universität, ist Sobottkas Arbeit absolut innovativ, da bislang nur sehr wenige Arbeiten in diesem Bereich vorliegen. "Die besondere Qualität dieser Arbeit besteht in der experimentellen Untersuchung von Patienten mit einer schweren psychischen Störung, wobei das übliche Laborsetting zusätzlich zur Realsituation simuliert wurde", ist Leplow überzeugt.

Glücksspieler sowie die Kontrollgruppe alkoholabhängiger Patienten und jene gesunder Menschen wurden in einer von Sobottka erzeugten Spielhallenatmosphäre zum Kartenspiel eingeladen. Das gleiche Spiel wurde mit den Probanden ebenfalls unter solchen Bedingungen gespielt, die frei von einer Spielhallenatmosphäre waren. "Alkoholsüchtige weisen die gleichen Entzugserscheinungen auf wie pathologisch Spielsüchtige. Deswegen entschied ich mich für alkoholabhängige Patienten als Kontrollgruppe", führte Sobottka im Gespräch mit pressetext an.

Während den Untersuchungen fielen besonders die Glücksspieler auf. Diese erzielten in der Spielhallen-Situation bessere Ergebnisse. "Im Laufe des Spiels waren sie in der Lage, ein rationales Entscheidungsverhalten zu erlernen", so Sobottka. Für Sobottka steht somit fest, dass es anders als bislang in der Fachwelt angenommen keine grundsätzlichen Defizite im Entscheidungsverhalten von Glücksspielern gibt. Auch waren die Glücksspieler unter den von Sobottka erstellten Bedingungen absolut dazu imstande, ihre Impulse zu kontrollieren. "Die vorliegenden Befunde deuten auf ein suchtspezifisches Entscheidungsverhalten bei Glücksspielern hin, die unter Beteiligung von Stoffwechselprozessen im Gehirn dem Belohnungssystem zuzuordnen sind", so Sobottka.

So müssen Menschen, die an Spielsucht leiden, selbst alternative Möglichkeiten entwickeln, um ihr Belohnungssystem zu aktivieren. Alternative Möglichkeiten wären aus der Sicht Sobottkas positive Erfahrungen im Sport oder bei sozialen Kontakten. "Mit bestimmten Stimulus-Kontroll-Techniken können wir also eventuell den Gang in die Spielhalle verhindern", ist Sobottka überzeugt.

Artikel vom 6. Februar 2008

 

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