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Tilidin gehört zur Gruppe der Opioide und ist der Wirkstoff des Schmerzmittels Valoron® N. Der Buchstabe ?N? steht für die Beimischung des Opioidantagonisten Naloxon. Diese Kombination soll den Missbrauch von Tilidin eindämmen. Deshalb unterliegt sie auch nicht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung, sondern nur der normalen Verschreibungspflicht. Wirksam wird das Naloxon aber nur bei intravenöser Verabreichung und bei oraler Einnahme von mehr als 300?400 mg. In der Schweiz ist Valoron® als Monosubstanz erhältlich und enthält Tilidin-Hydrochlorid als Arzneistoff. Es kann deshalb nur auf einem Betäubungsmittelrezept verschrieben werden.
Tilidin selbst ist in der WHO-Klassifikation als Schmerzmittel der Stufe 2 eingeordnet.
Tilidin ist ein Opioid mit Phenylaminocyclohexenyl-Struktur. Als Prodrug ist es selber nur relativ schwach wirksam. Erst durch Verstoffwechselung in der Leber wird es zum wesentlich potenteren Nortilidin, das die hauptsächliche Wirkung ausübt.
Die chemische Synthese von Tilidin ist in der Literatur beschrieben.
2-(Dimethylamino)-1-phenylcyclohex-3-en-carbonsäureethylester enthält zwei stereogene Zentren. Es existieren also folgende vier Stereoisomere: (1R,2S)-Form und die dazu enantiomere (1S,2R)-Form sowie die (1R,2R)-Form und die (1S,2S)-Form. Der Arzneistoff Tilidin wird als Racemat (1:1-Mischung) aus den Enantiomeren der(1R,2S)-Form und der (1S,2R)-Form eingesetzt. Der Bedeutung der Enantiomerenreinheit der synthetisch hergestellten Arzneistoffe wird zunehmend die gebührende Beachtung eingeräumt, denn die beiden Enantiomeren eines chiralen Arzneistoffes zeigen fast immer eine unterschiedliche Pharmakologie und Pharmakokinetik. Das wurde früher aus Unkenntnis über stereochemische Zusammenhänge oft ignoriert. Insofern ist es bemerkenswert, dass Tilidin als Racemat in der Pharmakologie eingesetzt wird.
Tilidin kann laut der Roten Liste für starke bis sehr starke Schmerzen verordnet werden. Die Potenz liegt bei 0,16?0,19 zu Morphin (ein Fünftel der analgetischen Wirkstärke). Bei sehr starken Schmerzen reicht Tilidin allerdings meistens nicht mehr aus. In solchen Fällen werden zumeist Morphin oder morphinähnliche Stoffe eingesetzt. Weiterhin ist es ein verbreitetes Therapeutikum beim Restless-Legs-Syndrom, wobei hier nicht der analgetische Wirkmechanismus im Vordergrund steht.
Tilidin an sich hat kaum opioidtypische Wirkung und wird erst bei seiner ersten Passage durch die Leber zu Nortilidin ? dem eigentlichen opioiden Wirkstoff ? verstoffwechselt. Nortilidin ist einerseits ein µ-Agonist, andererseits wird es im weiteren Verlauf in das wiederum aktive Bis-Nortilidin überführt, was ebenfalls opioide Effekte vermittelt. Nach der Einnahme von Tilidin baut sich die Opioidwirkung vergleichsweise schnell auf (etwa 10?20 Minuten).
Das dem Tilidin beigemengte Naloxon wird im allgemeinen bei seiner ersten Passage durch die Leber fast vollständig abgebaut und inaktiviert. Da aber dem Tilidin eine relativ große Menge Naloxon beigemengt wird, wird davon nur ein Teil in der Leber deaktiviert, und es bleibt ? bei der Einnahme einer größeren Menge Tilidin ? noch stets genug davon übrig, um seine antagonistische Wirkung zu entfalten und die Wirkung des eingenommenen Tilidin oder weiterer Opioide zu hemmen oder zunichte zu machen. Eine Sonderstellung hat das Opioid Buprenorphin, dies wird normalerweise nicht durch Naloxon antagonisiert, da die Rezeptor-Affinität des Buprenorphins höher ist als die des Naloxon. Bei intravenöser Gabe werden große Teile des Naloxons sofort wirksam, was darauf zurückgeführt werden kann, dass das meiste Naloxon die entscheidenden Rezeptoren erreicht, bevor es inaktiviert werden kann, wobei auch nur ein Teil überhaupt inaktiviert werden könnte. Durch die direkte intravenöse Gabe wird die Leberpassage zum entsprechenden Zeitpunkt größtenteils übergangen. Bildlich gesprochen blockiert das injizierte Naloxon nicht nur die Wirksamkeit des Tilidins, sondern auch anderer Opiate, wobei es bei Opiatabhängigen schwerste Entzugserscheinungen auslöst.
Nur bei Beimengung des Opioidantagonisten Naloxon werden tilidinhaltige Präparate als Stufe-2-Analgetikum in der WHO- Klassifikation eingeordnet. Ziel der Beimengung ist, den Missbrauch von Tilidin durch Drogenabhängige einzuschränken. Unter Konsumenten hochpotenter Opiate wie Morphin, halbsynthetischer Opioide wie Heroin oder vollsynthetischer Opioide wie Methadon mit entsprechend hoher Toleranz erfreut es sich tatsächlich keiner großen Beliebtheit, da es für diesen Personenkreis mangels Möglichkeit zum intravenösen oder hochdosierten Konsum kaum Missbrauchspotential bietet. Davon abgesehen scheint es aber einen zunehmenden Missbrauch ? auch unter Jugendlichen ? zu geben; es kommt im Zusammenhang mit Tilidin auch häufig zu Rezeptfälschungen.
Tilidin besitzt ein hohes psychisches Abhängigkeitspotential, da es schon in niedrigen Dosen oft ein starkes, angenehmes Wohlbefinden auslöst. Erste euphorisierende Effekte können schon ab 25?50 mg auftreten (also teilweise unterhalb der therapeutischen Dosis!), dagegen wird das beigemischte Naloxon erst ab einer Dosis von 300 bis 400 mg Tilidin (oral) wirksam. Die Beimengung schützt also keineswegs vor einer primären Tilidinabhängigkeit.
Tilidin ist als Lösung in Form von Tropfen, Kapseln sowie als retardierte Tablettenform auf Rezept erhältlich.
Prinzipiell alle der opioidtypischen Nebenwirkungen treffen auf Tilidin zu (Siehe Opioid, Abschnitt Nebenwirkungen). Der rasche Wirkungseintritt begünstigt Übelkeit und Erbrechen. Im Gegensatz zu sedierenden Opioiden wie Morphin macht Tilidin im allgemeinen weniger träge und wird in Einzelfällen sogar als leicht antriebssteigernd wahrgenommen.
Bei Menschen mit bestehenden Vorschädigungen der Leber ist die fixe Kombination Tilidin/Naloxon nicht zu empfehlen, bei Niereninsuffizienzen kann sie jedoch eingesetzt werden. Opioide sind überdies generell recht verträglich und belasten die Organe im Vergleich zu anderen Schmerzmitteln wenig.
In der Vergangenheit wurde in verschiedenen Medien behauptet, Tilidin mache aggressiv. Da eine solche Wirkung von Tilidin in der Schmerztherapie unbekannt ist, scheint dies auf den ersten Blick wenig plausibel. Mindestens eine Reportage befasste sich in diesem Zusammenhang ausschließlich mit jugendlichen Konsumenten arabischer Herkunft, die offenkundig einem kleinkriminellen Milieu angehörten. Dies legt den Schluss nahe, dass hierbei vor allem soziokulturelles Umfeld und Mentalität des Konsumenten ursächlich sind, wenn die durch Tilidin hervorgerufene Euphorie und Anxiolyse zu Gewalttätigkeiten führt, wie sie auch bei Alkoholkonsum zu ähnlichem Verhalten führen können.
Aufgrund der Tatsache, dass Tilidin selbst fast keine opioidtypische Wirkung hat, herrscht unter Experten Uneinigkeit darüber, ob Tilidin als Opioid oder nur als Vorstufe (Prodrug) zu einem wirkstarken Opioid (Nortilidin) bezeichnet werden soll.
Dieser Text ist aus der Wikipedia - zum Original, Autoren.
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