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Der Fliegenpilz (Amanita muscaria var. muscaria) ist ein giftiger Pilz aus der Gattung der Wulstlinge (Amanita), zu der auch der besonders giftige Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) gehört. Der Fliegenpilz ist weniger giftig, aber nicht harmlos.
Der rote Fliegenpilz tritt in Mitteleuropa von Juni bis zum Winter auf, mit einer Haupterscheinungszeit von Juli bis Oktober. Es gibt vom ihm mehrere anerkannte Varietäten (Varianten). Der Fliegenpilz im eigentlichen Sinn ist die Varietät Amanita muscaria var. muscaria. Amanita muscaria var. aureola ist häufig ohne Flocken mit häutiger Scheide. Amanita muscaria var. formosa besitzt einen orangegelben Hut und sehr wenig gelbfarbene Flocken. Beide Variationen verursachen die gleichen Vergiftungserscheinungen wie der Fliegenpilz. Der braune Königsfliegenpilz (Amanita muscaria var. regalis) wird seit jüngstem nicht mehr als eigenständige Art sondern auch als Varietät geführt, er ähnelt sehr stark dem Pantherpilz.
Seine Huthaut ist leuchtend rot mit weißen Tupfern, welche die Reste der Hülle (Velum) sind, in der der Pilz in seiner Jugend steckte. Der Hutrand ist schwach gerieft, die Lamellen auf der Unterseite des Hutes weißlich. Der Stiel wird bis zu 20 cm hoch und bis zu 2 cm breit, trägt oben eine weiße Manschette und besitzt am unteren Ende mehrere übereinanderliegende warzige Gürtel (ebenfalls Hüllreste), die leicht abwaschbar sind.
Der Pilz kommt von Juli bis in den Oktober hinein in Nadelwäldern vor und wächst auch häufig unter Birken. Er ist in den gemäßigten Gebieten der Nordhalbkugel verbreitet (Nordamerika, Europa, Nordasien)
Die bisher aus dem Fliegenpilz isolierten Substanzen mit Giftwirkung sind:
Die im Fliegenpilz wirksamen Gifte, wobei sich vor allem unter der Huthaut die Ibotensäure konzentriert, sind zum einem Muscarin, das nur in geringen Mengen vorhanden ist (0,1% - 0,003%) sowie der Wirkstoff Muscimol. Letzterer ruft Bewusstseinsstörungen und Halluzinationen hervor. Er entsteht v.a. bei der Dekarboxylierung der Ibotensäure, also wenn der Pilz fachgerecht getrocknet wird. Es sind aber noch andere, bisher nicht bekannte Gifte darin enthalten. Fliegenpilzvergiftungen können zu schweren Gesundheitsstörungen und in sehr seltenen Fällen zum Tode führen.
Die Fliegenpilzintoxikation macht 1 - 2% sämtlicher Pilzvergiftungen aus. Die Letalität liegt bei 5%. (zitiert nach Roth, Frank, Kormann, 1990).
Die Konzentration der Giftstoffe schwankt sehr, so dass eine bestimmte Menge Pilzgewebe von einem Fliegenpilz vielleicht kaum Wirkungen hervorruft, die gleiche Menge vom nächsten Pilz aber schon gefährlich sein kann. Verwandt mit dem Fliegenpilz ist der Pantherpilz, dessen Wirkstoffzusammensetzung ähnlich, aber ungleich stärker ist, weswegen er sich nicht zu rituellen Zwecken (siehe unten ) eignet.
In vielen, vor allem älteren Auflagen von medizinischen Lehrbüchern findet sich unter Fliegenpilzvergiftung nur der Hinweis, Fliegenpilze enthielten Muskarin. Gibt der unerfahrene Arzt im Vertrauen auf diese unvollständigen Angaben Atropin oder ein anderes Gegenmittel gegen Muskarin, so kann es zu Todesfällen kommen. Solche Fälle sind auch tatsächlich passiert und in der Literatur beschrieben. Da keine Todesfälle durch unbehandelte Vergiftungen beschrieben sind, ist das Risiko, durch eine kontraindizierte Therapie zu sterben, höher als durch den Pilz selbst. Falls es wirklich notwendig ist ein Antidot zu geben und nur dann, so ist Physostigmin - das Antidot zu Atropin und Muscimol - angebracht.
Der Fliegenpilz wurde und wird in manchen Kulturen als Rauschmittel verwendet. Seit Jahrtausenden sammeln ihn die sibirischen Schamanen wegen seiner ekstase-auslösenden Eigenschaft. Der Fliegenpilz gilt den sibirischen Völkern als das materiell gewordene göttliche Fleisch, die den Konsumenten mit der spirituellen Welt verschmelzen lässt. Eine Variante bei indigenen sibirischen Völkern besteht darin, den Urin des Schamanen zu trinken, nachdem dieser Fliegenpilz konsumiert hat. Das wird dadurch möglich, dass der Wirkstoff Muscarin zu Muscimol abgebaut und zum größten Teil unverändert durch den Urin ausgeschieden wird. Muscarin ist giftiger und hat eine geringere rauschwirkung als Muscimol. Dieser Vorgang kann drei bis vier mal wiederholt werden. Das Urintrinken gilt als weniger gefährlich als der Konsum des Pilzes selbst, da die enthaltenen Gifte wie Muscarin vom Körper erst abgebaut und dann ausgeschieden werden.
Die Germanen nannten den Pilz "Wotans Fleisch" und benutzten ihn zu den Feiern der Julzeit (vg. Julfest). Auch die Priester der Mayas sollen ihn benutzt haben, um zu göttlichen Visionen zu kommen. Im alten Indien trank man den Saft des Fliegenpilzes angeblich bei kultischen Handlungen. In mehr als 800 Versen der Veden wird das Soma gewürdigt, worunter nach einer möglichen Auslegung des amerikanischen Forschers Richard Gordon Wasson nichts anderes als eben der Fliegenpilz zu verstehen ist. Dieser Pilz würde somit in den alten indischen und chinesischen Texten zu den bedeutendsten heiligen Pflanzen gezählt; allerdings ist die Übersetzung umstritten. Denn der Soma-Kult verschwand im späteren Hinduismus vollständig, möglicherweise nachdem der weniger unberechenbare Wein bekannt wurde; deshalb ist nicht mehr genau festzustellen, um welche Pflanzen- oder Pilzart es sich bei ?Soma? handelte.
Der Fliegenpilz unterliegt in Deutschland nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Ob der Fliegenpilz bei Tieren ähnlich wirkt, ist nicht bekannt. Man hat beobachtet, dass er zu den bevorzugten Nahrungsmitteln der Rentiere zählt, auf diese aber keine besonderen Auswirkungen zu haben scheint.
Obwohl der Fliegenpilz von den meisten Menschen für einen tödlichen Giftpilz gehalten wird, so wird dieser Pilz tatsächlich aber auch als Speisepilz gebraucht. In Teilen Japans gilt der Pilz als leckere Spezialität, aber besonders in der Gegend in und um Hamburg war das Essen von Fliegenpilzen einmal recht verbreitet. Heute ist das dort fast wieder in Vergessenheit geraten, aber einige, zumeist alte, Leute kennen noch die Zubereitung dieses Pilzes. Die Stoffe im Pilz, die für Gift- und Rauschwirkung zuständig sind, befinden sich hauptsächlich in der Huthaut und sind größtenteils wasserlöslich. Die rote Haut wird entfernt und der Pilz in kleine Stücke geschnitten. Die Stücke werden 24 Stunden in Wasser eingelegt. Anschließend schüttet man das Wasser weg und brät den Pilz in der Pfanne. Da individuelle Unverträglichkeiten oder Vergiftungssymptome durch die Vorbehandlung nicht völlig ausgeschlossen werden können, ist von dem Genuss von Fliegenpilzen generell abzuraten.
Neben dem Hufeisen und dem vierblättrigen Kleeblatt zählt der Fliegenpilz zu den beliebtesten Glückssymbolen. Man findet ihn auf Glückwunschkarten und in bebilderten Märchenbüchern. Woher diese Beliebtheit kommt, ist nicht genau bekannt. Vielleicht liegt es daran, dass man den Fliegenpilz in vielen Kulturen früher als Rauschmittel verwendete und er deshalb als Glücksbringer angesehen wurde. Reste dieser Symbolik könnten sich vielleicht bis in unsere Zeit hinein erhalten haben. Andererseits könnte diese Verwendung auch einfach auf das charakteristische bunte und auffällige Aussehen des Pilzes zurückgehen.
Der im Volksgebrauch vielfach vorkommende Pilz hat entsprechend viele Namen. Die meisten Namen von amanita muscaria sind auf seine halluzinogenen Wirkungen zurückzuführen und mit der Fliege oder der Kröte verbunden (Fliegenpilz, Mückenschwamm, Mückenpfeffer, Fliegenschwamm, Fliegenteufel, Pfifferling, Sunneschirmche, bunte Poggenstool, Narrenschwamm, Krötenstuhl). Während in der Verbindung zu Fliegen die Vorstellung zum Ausdruck kommen mag, Geistesstörungen, Wahnsinn und Rausch seien durch Fliegen im Gehirn verursacht, bezieht sich die Verbindung zu Kröten möglicherweise auf die halluzinogenen Ausscheidungen (Bufotenine) der Krötenhaut.
Der Namen wird andererseits auf seine Verwendung als Fliegenfänger zurückgeführt. Wie es heißt, schnitt man den Pilz dazu in kleine Stücke und legte sie in stark gezuckerte Milch ein; Fliegen, die davon tranken, starben nach einiger Zeit. Ist die Menge der beigefügten Pilzteile zu gering, können die Fliegen davon auch nicht sterben. Sie fallen zwar wirklich um, erholen sich aber nach einiger Zeit wieder von dem Gift und fliegen davon, wenn man sie nicht vorher schon endgültig ins Jenseits befördert hat.
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