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Magersüchtige halten an ihrem gestörten Essverhalten oft wider eigenem Willen fest, da Veränderungen im Gehirn einen Wechsel eingeübter Routinen erheblich erschweren. Das berichten Neurowissenschaftler der Heidelberger Universitätsklinik für Psychosomatik und Allgemeine Klinische Medizin in der Zeitschrift "American Journal of Psychiatry".
"Anorexie-Patientinnen sind oft wie gefangen in ihrer Erkrankung. Sie haben große Probleme, sich auf Neues einzulassen oder leiden häufig an hohem Perfektionismus. Eine Ursache dafür sind neuronale Vorgänge", erklärt Hans-Christoph Friederich, Leiter der Arbeitsgruppe Essstörung. Die Ergebnisse der Forschung sollen einerseits mehr Verständnis über die Ursachen der Krankheit ermöglichen, andererseits könnten sich daraus neue Therapiezugänge eröffnen.
Die Wissenschaftler untersuchten 30 junge Frauen, die teilweise von Anorexie betroffen waren. In einem Experiment ließ man sie ein Verhalten - die schnelle Zuordnung geometrischer Figuren - kurzfristig einüben, ehe in einem zweiten Durchlauf die Zuordnungsregeln geändert wurden. Magersuchtkranke hielten dabei häufiger als gesunde Vergleichspersonen am vertrauten Muster fest und unterdrückten alternatives Verhalten. Die gleichzeitige Beobachtung per Magnetresonanztomographie (MRT) zeigte, dass bei Anorexie-Erkrankten ein bestimmter Netzwerkpfad zwischen Groß- und Zwischenhirn weniger aktiv ist. Dieser Pfad ist für Einleitung und Kontrolle von Handlungen wichtig, besonders wenn sich Umweltbedingungen rasch verändern.
Magersucht wird zunehmend als neuronale Entwicklungsstörung gesehen, erklärt Friederich. "Ein Hinweis dafür ist die Tatsache, dass die Krankheit meist in der Pubertät erstmals auftritt, was eine für die Hirnreifung besonders wichtige Phase darstellt. Die jetzige Forschung zeigt, dass auch eine Störung des fronto-striatalen Schleifensystems beteiligt ist, das für die Verhaltenssteuerung zuständig ist." Über die Auslöser dieser Änderungen gibt es bisher bloß Hypothesen, mögliche Ursachen seien etwa die verringerte Ausschüttung von Sexualhormonen bei Untergewicht, genetische Veranlagungen oder auch Umweltfaktoren. Ein weiterer neurobiologischer Aspekt der Krankheit ist die gestörte Körperwahrnehmung, die eigene Krankheitssignale durch Änderungen im parietalen Kortex häufig übersehen lässt.
Da sich psychische und neurobiologische Faktoren wechselseitig beeinflussen können, können die Ergebnisse zu neuen Therapieansätzen für Anorexie führen. "Derzeit läuft eine Probetherapie, bei der Magersucht-Patientinnen gezielt das Auflösen von Ritualen, Abläufen und Strukturen trainieren. Schaffen die Betroffenen, das Verhalten in anderen Gebieten zu ändern, bedeutet das auch Hoffnung für die Auflösung lange trainierter Essensmuster", so Friederich.
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