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?Shop until you drop!? Dieses Motto stand auf einem Aufkleber, den ich einmal als Kind lange betrachtete. Auf dem Sticker konnte man - im Comic-Stil - eine Frau, beladen mit vielleicht zehn Einkaufstaschen, sehen. Ich fragte mich damals, warum man solange einkaufen sollte, bis man umfällt. Mir war nicht bewusst, dass es wirklich Menschen gibt, die zwanghaft viel und oft einkaufen.
Wenn jemand kaum einen Tag verstreichen lässt, ohne dass er oder sie wieder etwas Neues erstanden hat, häufig auch die finanzielle Situation verdrängend, dann kann man von Kaufsucht sprechen. Ich habe gestern ein Brot beim Bäcker geholt, heute wollte ich zum Gemüseladen um die Ecke, und morgen geht es zum Supermarkt! Hilfe, bin ich jetzt kaufsüchtig? Spaß beiseite, es ist klar, dass es sich bei der hier diskutierten Sucht nicht um solche Einkäufe handelt. Schuhe, Kleidung, Schmuck, Elektronik-Artikel, Sammlerstücke oder was auch immer an Konsumgütern gefällt, wird in rauen Mengen gehortet. Es können natürlich auch immaterielle Dinge wie Reisen, Wellness-Behandlungen und so weiter sein.
Dabei ist es den entsprechenden Personen oft wichtig, entweder sich selbst einfach immer wieder etwas Gutes zu tun, vielleicht durch den Kauf eines neuen Kleidungsstücks. Alternativ möchte man bei Trends mithalten oder Statussymbole sammeln, beispielsweise mit dem allerneuesten Handy. Beide Gruppen von Kaufsüchtigen wollen mit ihrem Konsum mehr oder weniger unbewusst etwas kompensieren: die einen Frust, die anderen ihr mangelndes Selbstwertgefühl. Mehr als bei der Magersucht sind hier Frauen und Männer annähernd gleichermaßen betroffen. Doch ein paar Prozent mehr Frauen dürften es schon sein. Schließlich waren Frauen bereits vor den Männern Sammlerinnen, nämlich als diese noch Jäger waren.
Jäger und Sammler
Was haben wir heute mit diesen Jägern und Sammlern, die vor Jahrtausenden lebten, zu tun? Eine Menge, denn auch wir fühlen uns gut, wenn wir unseren Besitz aufstocken können, fühlen uns sicher, wenn wir mit einem neuen Erwerb noch besser als davor ausgestattet sind. Doch jemand, der als kaufsüchtig bezeichnet werden kann, kennt keine Grenzen mehr. Es ist wie ein Rausch, wenn sie etwas erspähen, das sie haben wollen und es sich dann leisten. Auch, wenn sie es nach Hause tragen oder warten, bis es per Post ankommt. Besitzen sie dann das Objekt der Begierde, dauert es meist nicht lange, bis die Freude darüber verfolgen ist und sie wieder Ausschau nach etwas Neuem halten. So möchten sie dann dieses Glücksgefühl wiederbeleben, erneut den Stress auf der Arbeit oder in der Familie vergessen können, sich belohnen, sich etwas gönnen.
Vielleicht gibt es aber auch bereits einen neuen Trend und die Nachbarin hat die gerade erst erschienene Tasche schon oder der Kollege trägt seit heute jene Uhr aus der Werbung. Kaufsüchtige finden manchmal erst dann wieder Ruhe, wenn sie selbst wieder auf neuestem Status-Stand sind. Während ?Frust-und-Lust-Käufer? also ihre größte Freude im sich etwas Gönnen erleben, wünschen sich ?Status-Käufer? bewundernde Blicke und ein aufgemöbeltes Selbstwertgefühl. Beide Gruppen stürzen sich nicht selten in Schulden, die sie nie wieder los werden. Immerhin hat man nicht die Mittel gewisser Millionenerbinnen...
Leben wie ein Star
Auch beim Thema Kaufsucht spielen die Medien eine bedeutende Rolle. So genannte ?It-Girls? wie Paris Hilton oder Sienna Miller setzen oder fördern bestimmte Trends, was unter anderem Kleidung und Accessoires betrifft. Letztere werden bald zu ?Must-Haves?. Dermaßen gestylt und ausgestattet zeigen sie sich dann vor zahlreichen Kameras, wobei sie auch einen gewissen sorglosen Lebensstil repräsentieren, der vor allem eines verspricht: Fun, fun, fun! Viele, die jene Trendsetterinnen dann - mit ihrem Dauerlächeln - im Fernsehen oder in Magazinen sehen, in tollen Autos oder vor Traumvillen, sehnen sich nach einem ebenso schönen Leben. Schuhe wie Hilton und Co. zu besitzen, einen goldenen I-Pod wie sie zu benutzen, würde zumindest das Gefühl geben, diesem luxuriösen Leben ein bisschen näher gekommen zu sein. Männer werden zwar auch von Trendsettern ihres Geschlechts beeinflusst, mehr jedoch von anderen Männern im Freundeskreis oder auf der Arbeit, die Werbung nicht zu vergessen.
Besonders bei der Zielgruppe 40 plus wären noch Shopping-Kanäle wie ?HSE24? zu erwähnen. So lässt sich auf bequeme Art von zu Hause aus allerlei Tand bestellen. Generell sind Versandhäuser für alle Kaufsüchtigen eine Versuchung, da man nicht gleich in bar, sondern manchmal erst Monate später bezahlen muss. Praktisch finden die skrupelloseren unter den Betroffenen auch die Option, verschiedene Liefer- und Rechnungsadressen anzugeben. Tückisch ist oft, dass man Kaufsucht schwieriger erkennen kann als andere Suchtrichtungen. Sie ist schon fast gesellschaftsfähig geworden und es fällt den betroffenen Personen besonders schwer, sich einzugestehen, dass ihr Kaufverhalten nicht mehr normal ist. Deshalb entscheiden sich auch nur wenige für eine Therapie. Wenn andere sie auf ihre eventuelle Kaufsucht ansprechen, fühlen sie sich oft angegriffen und meinen, niemand würde ihnen etwas gönnen.
Die ?Moral von der Geschichte?
Es ist schon so oft gesagt worden: Die wichtigsten Dinge des Lebens kann man nicht kaufen. Dennoch bleibt es wahr. Mir persönlich liegt auch am Herzen zu betonen, dass das Leben einfach mehr ist als ein Dasein, in dem man nichts Besseres tun kann, als so viel Spaß wie möglich zu haben, bevor es vorbei ist. Ich kann die folgende Aussage nicht leiden: ?Man lebt halt nur einmal.? Doch selbstverständlich ist es völlig in Ordnung, sich hin und wieder etwas zu leisten, sich einen Kaufwunsch zu erfüllen. Es muss nur in Maßen bleiben. Also, ich gehe dann mal los, einkaufen!
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