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"Lila ist das neue schwarz?, ?Glamour ist in?, ?Brünett ist sexy?! Das kleine Wörtchen ?ist? gehört ganz fest zum Schlagzeilenrepertoire sämtlicher Modemagazine und erklärt seinen Leserinnen fast schon diktatorisch die Welt der Mode. Denn wo auch immer dieses mysteriöse ?ist? auftaucht, bleibt kein Platz für Widerspruch.
Die Welt ist diesem kleinen Wort so sehr verfallen, dass wir uns kaum mehr wagen, es zu hinterfragen, geschweige denn, zu fragen, von wem dieses machtvolle ?ist? stammt. Wer sagt also, dass lila das neue schwarz oder brünett sexy ist? Mode ist in erster Linie Spielerei - für das Leben der Menschen hat sie, in Wirklichkeit, keinerlei Auswirkungen.
Doch während die Schlagzeilen der Modemagazine sich ständig ändern, dominiert ein festes und unabänderbares ?ist? die Köpfe der Menschen und die Modewelt so sehr, dass es in keiner Modezeitschrift gesondert erwähnt werden müsste. Dieses ?ist? lautet: ?Dünn ist sexy, und zwar nur sehr, sehr dünn.? Schlankheit gilt als ästhetisch und als Garant für Gesundheit, während Übergewicht als ungesund und unästhetisch angesehen wird. In den Industriegesellschaften des Überflusses, in denen extremes Übergewicht zu einem wirklichen Problem wird, wird Schlankheit zu dem wichtigsten und erstrebenswertesten Ziel im Leben jedes Menschen. Hinterfragt wird dieses Ideal nicht. Dünn sein ist doch sexy, und dick sein unästhetisch, oder? ?Ist das so, ich meine, muss das so sein?? hinterfragt Judith Holofernes von ?Wir sind Helden? in dem gleichnamigen Song. Das gilt auch hier.
Das trügerische Ideal der Schlankheit
Denn längst hat sich dieses Ideal der Schlankheit zu einem extremen Maß gesteigert: was als schlank gilt, ist in Wirklichkeit lebensgefährdendes Untergewicht, und längst schon wird ein normales und gesundes Gewicht als Übergewicht geschmäht. Das Modelmaß wird zum Ideal: die ?Zero-Size? Jeans mit einem Hüftumfang von 85 cm ist in den USA zur neuen Maßgabe avanciert, im Internet werden Magersucht und Bulimie zum Lebensstil idealisiert, und die Zahl der Menschen, die an Magersucht leiden, hat sich, dem Webportal Magersucht.de zufolge, in den letzten zehn Jahren verdreifacht.
Aus der Mode des Schlankseins wird lebensgefährlicher Ernst. Das Ideal der Schlankheit ist aber ein künstliches und man braucht künstliche Mittel, um es zu erhalten. An Gesundheit ist dabei nicht mehr zu denken. Längst schon ist in Pro-Ana Foren, in denen an Magersucht Leidende ihre Krankheit zum Lebensstil verklären, zu lesen: ?Dünn sein ist wichtiger als Gesundheit, wer nicht dünn ist, kann nicht schön sein?. Höchste Zeit also, mit diesem Credo aufzuräumen.
Ästhetik- eine Sehgewohnheit
Das Dünn sein als ästhetische Vorgabe ist ein schwieriges Argument, denn Ästhetik selbst ist im wesentlichen nur eine Sehgewohnheit. Wer regelmäßig Modemagazine liest, bestaunt extrem schlanke Frauen in beneidenswerten Posen; das Bild der dünnen, beneidenswerten Frau wird umso selbstverständlicher, je öfter man es sieht. Im Gegensatz dazu wird, wer regelmäßig Bildbände alter Meister durchblättert, nicht nur bei Malern wie Peter Paul Rubens, sehen, was dem eigenen Spiegelbild viel eher entspricht.
Extremes Untergewicht ist nicht normal, es wirkt bloß so, weil es die moderne Medienwelt beherrscht. Der Schlankheitswahn ist ein skurriles, ästhetisches Ideal, wie es in allen Zeiten und Kulturkreisen viele gab. Ein einfaches Beispiel ist Japan, wo im 18. Jahrhundert schwarze Zähne als schön galten. Doch auch im Europa des 17. Jahrhunderts trieb die Mode sehr seltsame Blüten: neben gepuderten Mozartperücken und ebenso stark gepuderten Gesichtern galt ein Taillenumfang von 20 Zentimetern als erstrebenswertes Ideal für jede Frau. Erreicht wurde es mit einer stark geschnürten Korsage, die gleichzeitig auch die inneren Organe oder ungeborene Kinder zerdrückte: nicht selten kam es zu Fehlgeburten, inneren Blutungen oder Erstickungsanfällen.
In China fand man bis vor hundert Jahren winzige, lotusblütenartige Füße besonders ästhetisch, wie es die Autorin Jung Chang in dem Buch "Wilde Schwäne" beschreibt. Um diese Füße zu bekommen, brach man dreijährigen Mädchen die Füße und schnürte sie so ein, dass die Knochen nicht mehr zusammen wuchsen. Der ideale Lotus- oder Lilienfuß maß zehn Zentimeter. Da die Füße ein Leben lang gebrochen blieben, waren die Chinesinnen vor lauter Schmerz nicht einmal in der Lage, alleine das Haus zu verlassen. Dennoch hielt sich dieser Brauch über Jahrhunderte. Einige Mütter hatten Mitleid mit ihren Kindern und entfernten die Bandagen, damit die Füße heilen und wachsen konnten. Diese Mädchen wurden gesellschaftlich geächtet; bei ihrer Hochzeit wurde sie von der Familie des Bräutigams öffentlich geschmäht wenn der Fuß länger als zehn Zentimeter war.
Schlankheit als Lebensziel?
All diese Moden haben eins gemeinsam: sie sind künstliche Ideale, die mit dem wahren Körper des Menschen nicht das geringste zu tun haben. Um dieses Ideal zu erreichen, gaben die Frauen ihre Freiheit auf, setzten ihre Gesundheit, ihr Leben, ja sogar das Leben ihrer Kinder aufs Spiel. Dies alles taten sie für eine zweifelhafte Ästhetik, die in heutigen Zeiten allenfalls als skurril oder hässlich angesehen werden würde.
Dennoch muten sich vor allem moderne Frauen heute noch unendlich viel Leid zu, um dem zweifelhaften Ideal der Schlankheit zu entsprechen. Das Leidensspektrum beginnt bei radikalen Diäten, ausufernden Sportexzessen und endet im schlimmsten Fall bei schwerwiegenden Essstörungen. In letzter Zeit sind einige als Model arbeitende Mädchen an den Folgen des Dauerhungerns gestorben. Von dem Modell Anna Nicole Smith wurde bekannt, dass sie ihr Töchterchen Dannie Lynn systematisch unterfütterte um zu garantieren, dass sie als Erwachsene schlank bleibe. Der Druck des Schlankseins lastet besonders schwer auf den Frauen, die in den Medien zu sehen sind, ob es nun Sängerinnen, Schauspielerinnen oder Nachrichtensprecherinnen sind; doch diese Frauen gehören jedoch zu unserer alltäglichen Sehgewohnheit und festigen das Ideal des Dünnseins in den Köpfen der Menschen.
Aber muss das so sein? Gibt es im Leben nicht mehr Ziele als das Ideal, möglichst dünn zu sein? Viele glauben, dass sie mit dem Ende der Dauerdiät plötzlich ausufernd dick, unattraktiv und unglücklich werden, doch das Gegenteil ist der Fall. Wer das Credo des Schlankseins über Bord wirft, gewinnt Freiheit, Lebensqualität und Energie für lohnenswertere und erfolgversprechende Lebensaufgaben und stellt fest, dass man mit Kleidergröße 38,40 oder 42 glücklich leben kann und das Zunehmen eigentlich recht schwierig ist. Aber dazu braucht es heute Mut...
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