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Diagnose Games-Sucht offensichtlich nicht sinnvoll
Zu viel Videospielen ist eine Sucht. Das scheint für manche so klar, dass
es mittlerweile einen Vorschlag für die Aufnahme des "Internet-Spielzwangs" in die
Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) gibt. Diese Hast, Vielspielen
zu pathologisieren, sei bedenklich, warnen Psychologen in einer aktuellen Studie.
Denn es sei viel zu unklar, was genau das angebliche Krankheitsbild eigentlich ausmacht.
Aus ihrer Sicht ist zudem so manche Studie, die Games-Sucht als verbreitetes Problem
darstellt, vor allem eines: schlechte wissenschaftliche Arbeit.
Würde
der sogenannte Internet-Spielzwang in die ICD aufgenommen, könnten Games-Kritiker
fröhliche Urstände feiern. Denn dann würde es womöglich gar erschreckend leicht,
Gamer einfach als krank abzustempeln. "Im Feld der 'Videospiel-Sucht' gibt es eine
Inzidenzrate von 0,8 bis 50 Prozent, je nachdem, welche Studie man sich ansieht",
betont Erstautor Anthony M. Bean http://beanpsychologicalservices.com gegenüber dem
Games-Nachrichtenportal "Polygon". Schon diese riesige Diskrepanz zeigt für sein
Team eher, dass da unsaubere Wissenschaft betrieben wird, als dass es Belege für
ein neues Krankheitsbild liefert.
Aus Sicht von Bean und Kollegen haben
manche Psychologen mit einer undurchsichtigen, breiten Definition der angeblichen
Sucht
das ganze Hobby Games diskreditiert. Ein Problem sei, dass irgendwelche Psychologen
einfach davon ausgegangen sind, dass sie das Konzept der Sucht,
wie es beispielsweise von Drogen
bekannt ist, einfach so auf Games umlegen können. Doch das sei nicht angebracht.
"Das könnte man genauso gut für Football machen", meint Bean. Immerhin geben Sportler
für ihre Berufung ja auch alles. Wer wiederum gerne liest, verschlingt Bücher bisweilen
regelrecht und denkt auch an sie, wenn er sie beiseitelegen muss. "Warum ist das
keine Sucht?"
Stigmatisierung
als Problem
Die Studie im Journal "Professional Psychology: Research
and Practice" verurteilt Pläne für die Aufnahme des Internet-Spielzwangs in die ICD
daher als voreilig. Bean verweist beispielsweise darauf, dass manche Menschen womöglich
Games nutzen, um mit Depressionen umzugehen oder Stress abzubauen. Zudem hinterfragt
er, ob eine Stigmatisierung von Games nicht eigentlich mehr Schaden anrichtet als
nutzt.
"Leute sagen zu ihren Partnern oder Kindern: 'Oh mein Gott! Du
bist süchtig nach Games. Du kannst die Finger nicht davon lassen! Was wirst du dagegen
tun? Ich will nichts mit dir zu tun haben, wenn du diese Spiele zockst'", meint Bean.
Dabei sei nachgewiesen, dass solchen Meinungen ausgesetzt zu werden, bei Betroffenen
letztlich Depressionen verursachen kann. "Das kann wirklich ihre komplette Psyche
beeinträchtigen, ihr komplettes Selbstwertgefühl."
Artikel vom 24. Juli 2017
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