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Lorazepam ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Benzodiazepine, welches wie alle Benzodiazepine eine anxiolytische (angstlösend), antikonvulsive (epileptische Potentiale unterdrückend), sedierende (schlafherbeiführend) und muskelrelaxierende Wirkung besitzt; in dieser Reihenfolge von stark nach schwach ausgeprägt.
Es findet seinen Einsatz hauptsächlich als Beruhigungsmittel bei Angst und Panikstörungen, da hierbei die längere Wirkdauer (zum Beispiel einen ganzen Tag lang), hervorgerufen durch die verhältnismäßig lange Halbwertszeit, erwünscht ist. In der Intensiv- und Notfallmedizin findet es Anwendung bei der Durchbrechung eines lang andauernden, lebensgefährlichen epileptischen Anfalles (Status epilepticus) sowie zur Prophylaxe epileptischer Anfälle. Selten findet sich eine Indikation zur Behandlung von Schlafstörungen.
Die Synthese ist in der Literatur beschrieben. Lorazepam ist ein chiraler Arzneistoff mit einem Stereozentrum und wird als Racemat, also als 1:1-Mischung der spiegelbildlichen (R)- und der (S)-Form, arzneilich verwendet. In der Regel besitzen derartige Enantiomere unterschiedliche pharmakokinetische und pharmakologische Eigenschaften, dies ist bei Lorazepam jedoch nicht relevant, da in wässriger Lösung sehr schnell Racemisierung eintritt, die Anwendung eines reinen Enantiomeren also nicht möglich ist.
Lorazepam wird vom Körper nach jeglicher Art der Applikation (oral, sublingual, intravenös, intramuskulär) schnell und fast vollständig aufgenommen. Der Wirkungseintritt liegt bei ein bis zwei Minuten nach intravenösen Injektionen, circa fünf bis zehn Minuten nach sublingualer Applikation und 30 bis 45 Minuten nach oraler Aufnahme (Tablette) sowie bei bis zu einer Stunde nach intramuskulären Injektionen.
Die Wirkungsdauer hängt von der Dosierung und vom Mageninhalt ab und liegt normalerweise bei fünf bis neun Stunden. Die Halbwertszeit von Lorazepam in Patienten mit normalen Leberfunktionen beträgt zwischen 11 und 18 Stunden. Deshalb sind oft zwei bis vier Tagesdosen nötig.
Lorazepam hat unter den Benzodiazepinen eine mittlere Plasmahalbwertszeit von 12?16 Stunden. Die Wirkung tritt relativ schnell ein (Resorptionshalbwertszeiten zwischen 11 und 40 Minuten bei oraler Gabe). Allerdings besteht dadurch auch ein stark erhöhtes Abhängigkeitsrisiko.
Lorazepam wird verabreicht zur:
Die tägliche Dosis variiert stark zwischen 0,25 mg bis zu 7,5 mg.
Katatonie mit der Unfähigkeit zu sprechen spricht auf Lorazepam oral oder langsam intravenös injiziert an. Die Katatonie kann wiederkehren, und eine Behandlung über ein paar Tage kann notwendig sein. Mitunter wird Haloperidol begleitend verabreicht.
Die Kontrolle eines Status epilepticus benötigt langsame intravenöse Injektionen unter Berücksichtigung des eventuellen Auftretens von Atemnot (Hypoventilation) und niedrigem Blutdruck (Hypotonie).
In jedem Fall muss die Dosierung individuell erfolgen, speziell bei älteren und geschwächten Patienten, bei denen die Gefahr größer ist, den Patienten zu stark zu sedieren. Die Sicherheit und Effektivität von Lorazepam bei Kindern unter 18 Jahren ist nicht gut erforscht, es wird jedoch benutzt, um aufeinanderfolgende Krampfanfälle zu behandeln. Bei höheren Dosierungen (bevorzugterweise intravenös) ist der Patient häufig nicht in der Lage, sich an unschöne Ereignisse (anterograde Amnesie) wie therapeutische Eingriffe (Endoskopien usw.) zu erinnern. Dieser Effekt ist erwünscht. In der Palliativmedizin, v. a. zum Einsatz im Hospizdienst, kann Lorazepam zur Anxiolyse, abschirmenden Sedierung und Entspannung verabreicht werden.
Lorazepam kann schwer absehbare Restwirkungen wie Müdigkeit, Schwindelgefühle und niedrigen Blutdruck haben, die innerhalb von zwölf Stunden noch zu deutlichen Einschränkungen im Alltagsleben führen können.
Es gibt klare Hinweise für auf Benzodiazepine zurückzuführende Risiken auf den menschlichen Fötus, was die Anwendung auf nur absolute Notwendigkeit einschränkt.
Lorazepam kann, wie andere Benzodiazepine, psychisch und/oder physisch abhängig machen. Schwerste Entzugserscheinungen, ähnlich im Auftreten wie die von Alkohol, Barbituraten und Heroin, wurden nach abrupter Einstellung beobachtet (besonders nach längerer Einnahme). Deshalb ist eine schrittweise Absetzung (Ausschleichen) über einen Zeitraum von Wochen oder Monaten, abhängig von der Zeit, in der es eingenommen wurde, sowie der Dosierung, unbedingt nötig.
Die Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs, der Abhängigkeit und der Entzugserscheinungen ist bei Lorazepam wegen seiner eher kurzen Halbwertszeit, höheren Potenz und stärkeren Bindung an den GABA-Rezeptor-Komplex wesentlich höher als bei anderen Benzodiazepinen. In diesem Zusammenhang verhält es sich wie Alprazolam (kurze Halbwertzeit und hohe Potenz) und Clonazepam (lange Halbwertzeit und hohe Potenz). Alprazolam besitzt jedoch im Gegensatz zu Lorazepam zumindest einen wirksamen Metaboliten, wodurch der Benutzer die Beendigung der Wirkdauer des Wirkstoffes als weniger unangenehm empfindet und damit die Koppelung zwischen Medikament und Patient weniger stark ausgeprägt ist. Dies führt zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit von psychischer Abhängigkeit.
Eine Langzeittherapie kann zu kognitiven Defiziten führen, die bei Behandlungsabbruch jedoch reversibel sind.
Lorazepam kann, falls bei Schwangerschaft eingenommen, unter Umständen das ungeborene Kind schädigen, doch wurde das selten beobachtet. Nahe dem Geburtszeitpunkt verabreicht, kann Lorazepam beim Säugling eine Myotone Dystrophie und Entzugserscheinungen auslösen.
In einigen Fällen können Benzodiazepine paradoxe Effekte auslösen, wie gesteigerten Antrieb und Aggression. Einige Mediziner denken, diese Effekte könnten durch eine Enthemmung ausgelöst werden und deshalb bei Patienten, die aufgrund von vorher existierenden Persönlichkeitsstörungen möglicherweise unter dem Durchschnitt der Enthemmung liegen, häufiger auftreten. Paradoxe Effekte werden besonders häufig während einer Anwendung bei Manie und Schizophrenie beobachtet. Nach abruptem Absetzen oder zu schnellem Ausschleichen treten häufig die gleichen Effekte (Angst, Panikattacken, teilweise schwere epileptische Anfälle ? jedoch deutlich ausgeprägter) wie vor Beginn der Einnahme auf, was wieder zu behandlungsbedürftigen Situationen führt.
Menschen mit Suchtpotenzial oder Erfahrungen im Missbrauch von Substanzen neigen eher dazu, Medikamente wie Lorazepam zu missbrauchen. Es wird als hochpotentes Benzodiazepin dazu benutzt, die Wirkung von Stimulanzien abzustimmen oder bei einem durch LSD ausgelösten schlechten Trip zu helfen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Lorazepam in der Drogenszene benutzt wird, um die euphorischen Effekte von Opiaten wie Heroin zu verstärken. Heroin und andere Drogen können mit Lorazepam geschnitten sein, dies ohne Wissen des Anwenders. Die Risiken beim Einsatz zusammen mit einem Opiat sind Atemdepression und sogar Atemstillstand. Am häufigsten wird Lorazepam eingenommen, um sich zu entspannen, zu ?chillen?. Viele nehmen daher das Medikament als ?chill pill? ein, was zur Abhängigkeit führen kann.
Lorazepam wurde 1963 von American Home Products (heutiger Name: Wyeth) patentiert und ist unter dem Markennamen Tavor® und als Generikum im Handel. Lorazepam ist als verkehrsfähiger und verschreibungsfähiger Stoff im BtmG 1981 Anlage III (zu § 1 Absatz 1) gelistet.
2007 wurden in Deutschland etwa 900.000 Packungen Tavor® verordnet. Es stand damit auf Platz 2 der meistverordneten Psychopharmaka.
Tavor (D), Tolid (D), Ativan (USA), Lorazepam dura (D), Merlit (AT), Temesta (CH), diverse Generika.
Für Patienten, die unzureichend schlucken können, und in der Notfallmedizin gibt es Schmelztabletten zur sublingualen Verabreichung. Die Sofortlöslichkeit verhindert auch bei nicht-kooperativen Patienten ein Zurückhalten im Mund. Die sublinguale Form wird aber nicht schneller resorbiert als die herkömmlichen Tabletten.Benkert & Hippius: Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, 5. Auflage, 2005, ISBN 3-540-21893-9.
Dieser Text ist aus der Wikipedia - zum Original, Autoren.
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