Alkoholkonsum steigt in Wirtschaftskrisen

Alkoholprobleme nehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu, berichten Forscher der Universitäten von Miami und Colorado in der Zeitschrift "Health Economics". Anhand von US-Daten der Jahre 2001 bis 2005 zeigen sie, dass sich die Fälle von Alkoholmissbrauch, alkoholisierten Autofahrern und Alkoholsucht parallel zur Zahl der Arbeitslosen entwickelten. Dass die Realität allerdings doch etwas komplizierter ist, erklärt der Alkoholexperte Alfred Uhl vom Anton-Proksch-Institut.

Makroökonomie steuert Trinken

Wirtschaftskrisen wirken sich manchmal positiv und manchmal negativ auf den Alkoholkonsum aus: Fehlt der Arbeitsplatz, bleibt weniger Geld für Alkoholika übrig, aber durch Einsparungen in anderen Bereichen kann man das Alkoholbudget auch erhöhen. Wie die US-Forscher um Michael T. French nun vertreten, steigt der Alkoholmissbrauch bei schlechter werdenden Bedingungen der Makroökonomie deutlich an, und zwar nicht nur bei jenen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, sondern auch bei denen, die um ihn bangen.

Die Detailauswertungen zeigen, dass die Entwicklung bei allen Bevölkerungsgruppen, Geschlechtern und Ethnien zu sehen ist, am deutlichsten bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren. Auch hohes Einkommen und Bildung bringen Menschen in Wirtschaftsflauten in Alkoholismus-Gefahr, während die Familie, ein Ehepartner sowie eigene Kinder im Haushalt einigermaßen als Schutzfaktoren wirken. Die Alkoholtherapien sollten sich auf verstärkte Nachfrage in Krisenzeiten der Wirtschaft rüsten, empfehlen die Forscher.

Mehrere Reaktionen möglich

Für den Wiener Suchtforscher Uhl geht die Formel "mehr Krise - mehr Alkohol" genauso an der Realität vorbei wie die gegenteilige Behauptung. "Sinkt das verfügbare Budget, ändern sich Verhaltensmuster: Man spart etwa beim Urlaub, trinkt zuhause Alkohol aus dem Supermarkt statt im Lokal oder kauft billigere Qualität - oder man reduziert den Alkoholkonsum." Speziell bei psychiatrischen Problemen, die in Krisenzeiten häufiger auftreten, trifft man auch vermehrten, riskanten Suchtmittelgebrauch an.

Rechtslage spielt mit

Schließlich ist die Konsummenge Ergebnis einer ganzen Reihe von Rahmenbedingungen, veranschaulicht Uhl am Beispiel Österreichs. "Fehlte im Zweiten Weltkrieg noch das Geld für den Alkohol, stieg der Konsum von 1945 bis in die 70er-Jahre stark an, da die Wirtschaft florierte. Der Rückgang um 20 Prozent seither, trotz weiteren Wirtschaftswachstums, geht unter anderem auf geänderte Arbeitsbedingungen sowie auf Alkoholverbote in vielen Branchen zurück."

Anders war die Situation in den Ostblock-Ländern und der ehemaligen Sowjetunion, wo in den Krisenjahren gegen Ende des Kommunismus der Alkoholmissbrauch bedrohliche Ausmaße annahm. Gorbatschows strikte Anti-Alkohol-Gesetzgebung brachte da kurzfristig einen Rückgang, doch wurde die Regelung rasch wieder aufgehoben. "Wenn die Lage aussichtslos ist, greifen viele zur Flasche, doch viele können es sich auch nicht mehr leisten. Was insgesamt überwiegt, hängt von äußeren Bedingungen ab", so der Wiener Suchtexperte.

Artikel vom 17. Oktober 2011

 

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