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"Weißt du was, einerseits beneide ich dich zwar ganz ehrlich um deine Einstellung, aber andererseits tust du mir auch irgendwie leid!" Mit diesem Satz alleine gelassen, stehe ich in meiner Erinnerung vor einem Freund und feiere den Einstieg in ein neues Jahr. Ihn begleitet eine Flasche Bier und mich ein zwiespältiges Gefühl.
Sicherlich, um uns herum befanden sich noch ungefähr 20 andere Leute, tanzten, prosteten sich zu und verbreiteten eine ungeheure Freude. Die Welt schien unglaublich glücklich zu sein in diesem Moment. Doch von der darauf folgenden Feier ist nur wenig in meinem Kopf haften geblieben. Ob es meinem Freund von damals heute anders ergeht, wenn er über diesen Moment noch einmal nachdenkt? Seine Äußerung bringt die Sache der Anti-Alkoholiker ziemlich deutlich auf den Tisch.
Auf der einen Seite bewundert man sie für ihre Ausdauer dem deutschen Genussmittel Nr. 1 gegenüber. Wann immer ein Anti-Alkoholiker sich outet - und unglücklicherweise passiert das meistens unfreiwillig in gemütlichen Runden, gemixt mit Freunden und völlig Fremden - starren ihn sekundenlang weit aufgerissene Augenpaare an. In ihnen spiegelt sich anfänglich wirkliche Anerkennung wieder.
Gerade in Deutschland scheint dies doch mehr oder weniger ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Man betrachte doch nur einmal, wie viel sich Unternehmen einfallen lassen, um ihr Getränk an den Konsumenten zu verkaufen. Da stoppt schon lange keiner mehr nur bei der Anpreisung seines guten Tropfens, nein, heutzutage rettet man mit dem Genuss von Hopfen sogar gleich ganze Welten. Ich persönlich habe ja gar nichts gegen Engagement für die Umwelt, für einen guten Zweck sozusagen. Im Grunde, würde ich sogar jeden dazu aufrufen, wenn ich nicht irgendwie das Gefühl hätte, im Glashaus zu sitzen.
Aber mal ehrlich, die Vernichtung des Urwaldes mit dem kistenweisen Verbrauch von Flaschenbier aufhalten? Sinkende Verkaufszahlen bei der Brauereien hin und her, wäre es da nicht einfacher, mit kamikazeartiger Aufopferung à la Greenpeace am Lebensende vor Gott zu treten. Nicht nur, dass dadurch direkte Hilfe zu den betroffene Wäldern gelangt, anstatt irgendwo im Etathimmel irgendeiner sowieso schon viel zu reichen Unternehmung zu verschwinden, nebenbei sinkt vielleicht sogar die Rate von Unfallopfern durch Trunkenheit am Steuer. Tja, wir werden es wohl nie erfahren.
Zurück zu den ?Antis? und ihren Problemen. Nachdem der erste Blick sich geklärt hat schaut nun ein jeder zweifelnd zum Alkoholverweigerer. Kann der denn wirklich glücklich sein, so ganz ohne Barriereblocker? Ein Anti hat dies zwar noch nie erlebt, aber so ganz und gar ohne Mauern durch die Welt gehen, jeden und alles absolut unabhängig von Grenzen zu begegnen und feiern zu können ohne an die Realität denken zu müssen, das müsste doch eigentlich Freiheit sein, oder? Wer hat nicht schon mal Menschen gesehen, die genau das oder ein Teil davon vor unseren Augen zelebriert haben. Oftmals bestehen die wirklich guten Erinnerungen in unserem Leben, auf denen wir Freundschaften aufbauen oder mit denen wir intensives Leben assoziieren, eben genau zu bestimmten Anteilen aus dem Genuss von Alkohol.
Jeder Jugendlich müsste eigentlich fast zwanghaft in seinem Aufwachsen, konfrontiert mit der guten alten Dame namens Gruppenzwang, unweigerlich mit Konsum von Alkohol in Kontakt gekommen sein. Und wenn man den Nachrichten trauen darf, dann ist der Konsum bei Jugendlichen in den letzten Jahren beängstigend schön in die Höhe gegangen. Obwohl, vielleicht haben die älteren Menschen auch nur vergessen, das sie früher einmal selbst bis zum Umkippen "geeimert" haben oder solange an einem Strohhalm nuckelten, bis ihnen die Luft wegblieb. Damals hieß es vielleicht nur nicht "Flatrate trinken" sondern einfach noch "saufen". Weswegen man sich früher die Birne vollgehauen hat bleibt dabei genauso unberücksichtigt, wie heute.
Jedoch jeder, der nach seinem, sagen wir mal 30. Lebensjahr, immer noch Abstinenzler ist, muss doch ein Ding an der Waffel haben, oder? Das gleicht ja schon fast einer Systemverweigerung, einer Anarchie die meilenweit seinesgleichen suchen muss. Schließlich bezieht der Staat ja auch keine indirekten Steuern über den Alkohol von ihnen, darüber hinaus ist mir auch von keinem Nichttrinker bekannt, dass er in stattlich geförderten Kursen Steuergelder verprasst, wie einige von denjenigen, die Bier, Wein, Champagner, Alkopops, Schnaps, Cognac, Brandy, Whiskey, Likör, etc., in regelmäßigen Abständen zu sich nehmen müssen. Ansonsten sind wir ?Antis? wie alle anderen und wollen genauso frei leben wie jedes andere fühlende Individuum.
Der einzige Unterschied zwischen mir und Menschen die Alkohol trinken, ist der, dass ich mich unter Angetrunken genauso frei bewege, wie unter Safttrinkern. Da ist dann schon mal schwerer zu erklären, warum man sich manchmal unter trockenen Leuten wie ein Vollidiot verhält und ein anderes Mal wieder völlig bei Sinnen ist. Aber man stelle sich nur mal vor, es gibt sogar noch Menschen, die neben Alkohol auch Sachen wie anderen Drogen, Fleisch, Gemüse, Obst und Milchprodukten den Rücken kehren. Die müssen vielleicht verrückt sein.
Erstveröffentlichung in der "hastuzeit" Nr.20 (Juli 2008)
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